Vorsorgevollmacht

 

Vorsorgevollmacht und Erwachsenenschutz

Dem medizinischen Fortschritt und der stetig steigenden Lebenserwartung in unserer modernen Gesellschaft ist es geschuldet, dass es den Menschen vermehrt ein Bedürfnis ist, sich mit dem Thema der rechtlichen Vorsorge bei altersbedingten körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen auseinanderzusetzen. Darüber hinaus können auch jüngere Menschen etwa aufgrund eines Unfalls oder einer Erkrankung in einen Zustand geraten, in dem sie nicht mehr selbst in der Lage sind, ihren eigenen Willen zu bilden, ihn auszudrücken oder diesem entsprechend zu handeln. Das österreichische Recht gibt unter dem Schlagwort „Erwachsenenschutz“ einen Katalog unterschiedlicher rechtlicher Maßnahmen und Gestaltungsmöglichkeiten vor, die darauf abzielen, Ihnen ein möglichst selbstbestimmtes, würdevolles Leben bis ins hohe Alter zu ermöglichen, auch für den Fall des Auftretens geistiger Defizite oder psychischer Beeinträchtigungen, unter Einbeziehung von Vertrauenspersonen sowie des Pflegschaftsgerichtes.

 

Vorsorgevollmacht

Mit einer Vorsorgevollmacht können Sie für den Fall, dass Sie die zur Besorgung der Ihnen anvertrauten Angelegenheiten erforderliche Entscheidungsfähigkeit verlieren sollten (sog. „Vorsorgefall“), eine oder mehrere Personen Ihres Vertrauens bevollmächtigen und damit beauftragen, Sie nach Maßgabe der in der Vollmacht getroffenen Regelungen und Anordnungen in personen- und vermögensrechtlichen Angelegenheiten umfassend gegenüber Behörden und Dritten zu vertreten. Die Vollmacht kann nach Ihren subjektiven Wertvorstellungen und individuellen  Bedürfnissen gestaltet werden. Ihre Ausgestaltung und Tragweite ist auf Ihre persönlichen Anforderungen und Wünsche abgestimmt und zugeschnitten.

 

Durch die Errichtung einer Vorsorgevollmacht können Sie in vielen Fällen die Bestellung eines gesetzlichen oder gerichtlichen Erwachsenenvertreters für den Aufgabenkreis, den Sie in Ihren Vollmachtnehmern zugewiesen haben, vermeiden. Die Vorsorgevollmacht ist schriftlich vor einem Notar, Rechtsanwalt oder Erwachsenenschutzverein persönlich zu errichten. Sie ist zeitlich nicht befristet und kann von Ihnen als Vollmachtgeber jederzeit widerrufen werden. Sie endet mit dem Tod der vertretenen Person oder der Vertretungsperson, bei Beendigung durch das Gericht oder mit Eintragung der Kündigung, des Widerrufs oder des Wegfalles des Vorsorgefalles im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV).

 

Gewählte Erwachsenenvertretung

Kann eine volljährige Person aufgrund einer psychischen Erkrankung oder vergleichbaren Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfähigkeit nicht mehr alle Angelegenheiten für sich selbst besorgen, kann diese eine oder mehrere Personen wählen, die sie bei diesen Angelegenheiten vertritt. Im Gegensatz zur Vorsorgevollmacht, bei der die volle Entscheidungsfähigkeit vorliegen muss, bedarf es bei der gewählten Erwachsenenvertretung lediglich einer eingeschränkten Entscheidungsfähigkeit. Das bedeutet, dass die Folgen einer Bevollmächtigung von der vertretenen Person noch in Grundzügen verstanden werden müssen.

 

Zum gewählten Erwachsenenvertreter kann jede nahestehende Person für einzelne Angelegenheiten oder für Arten von Angelegenheiten bestimmt werden. Die gewählte Erwachsenenvertretung unterliegt der Überwachung und laufenden Kontrolle durch das zuständige Pflegschaftsgericht. Sie beruht auf einer Vereinbarung des Vertretenen mit dem gewählten Vertreter und ist wie die Vorsorgevollmacht grundsätzlich unbefristet. Allerdings kann die gewählte Erwachsenenvertretung nur dann errichtet werden, wenn die betroffene Person aufgrund einer geistigen Beeinträchtigung nicht mehr in der Lage ist, eine Vorsorgevollmacht gültig zu erteilen, jedoch noch fähig ist, Bedeutung und Folgen einer Bevollmächtigung in Grundzügen zu verstehen. Die dem gewählten Erwachsenenvertreter zugewiesenen Tätigkeitsbereiche sind von der betroffenen Person, somit vom Vertretenen selbst zu definieren.

 

Zur Begründung einer gewählten Erwachsenenvertretung müssen die vertretende und vertretene Person höchstpersönlich vor einem Notar, Rechtsanwalt oder Erwachsenenschutzverein eine schriftliche Vereinbarung abschließen. Diese wird in weiterer Folge im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) registriert. Überdies ist ein ärztliches Attest über die eingeschränkte Entscheidungsfähigkeit des Vertretenen vorzulegen.

 

Eine gewählte Erwachsenenvertretung endet mit dem Tod der vertretenen Person oder der Vertretungsperson, bei Beendigung durch das Gericht oder mit Eintragung der Kündigung oder des Widerrufs im ÖZVV.

 

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, eine positive oder negative Erwachsenenvertreterverfügung beim Notar registrieren zu lassen, sollte die Vertretung durch eine bestimme Person gewünscht (positive Erwachsenenvertreterverfügung)  oder ausdrücklich nicht gewünscht sein (negative Erwachsenenvertreterverfügung).

 

Gesetzliche Erwachsenenvertretung

Für den Fall, dass ohne vorherige Errichtung einer Vorsorgevollmacht der Vorsorgefall eintritt, weshalb weder die Erteilung einer Vollmacht noch die Bestimmung eines gewählten Erwachsenenvertreters durch die schutzberechtigte Person in Betracht kommt, besteht für nahe Angehörige die Möglichkeit, das ihnen gesetzlich zustehende Vertretungsrecht auszuüben, ohne dass es der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters bedarf.

 

Als kraft Gesetzes zur Vertretung Befugte gelten volljährige nächste Angehörige des Vertretenen wie Eltern, Großeltern, Kinder und Enkelkinder, Geschwister, Nichten und Neffen, Ehegatten sowie Lebensgefährten, die seit mehr als 3 Jahren im gemeinsamen Haushalt leben.

 

Die Wirkungsbereiche des gesetzlichen Erwachsenenvertreters und der Umfang seiner Vertretungsbefugnisse sind gesetzlich genau vorgegeben und betreffen u.a. die Vertretung in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, die Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten, der Abschluss von Rechtsgeschäften, die Entscheidungen über medizinische Behandlungen, sowie die Änderung des Wohnortes. Die gesetzliche Erwachsenenvertretung unterliegt der Überwachung und Kontrolle durch das für den Schutzberechtigten zuständige Pflegschaftsgericht.

 

Die gesetzliche Erwachsenenvertretung muss vor einem Notar, Rechtsanwalt oder Erwachsenenschutzverein eingerichtet werden. Dabei werden die Wirkungsbereiche genau besprochen sowie die vertretene Person und der nächste Angehörige über ihre Rechte und Pflichten aufgeklärt. Der erforderliche Umfang der Vertretungsbefugnis ist durch einen Arzt vorab zu bestätigen.

 

Die gesetzliche Erwachsenenvertretung muss im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) eingetragen werden und wird mit der Registrierung wirksam. Eine gesetzliche Erwachsenenvertretung endet automatisch nach 3 Jahren oder wenn die vertretene Person widerspricht und der Widerspruch im ÖZVV eingetragen wird. Die Vertretungsbefugnis kann vor Ablauf der 3 Jahre erneuert bzw. verlängert und im ÖZVV wiederholt eingetragen werden. Dabei sind die gesetzlichen Voraussetzungen der Registrierung neuerlich durch einen Erwachsenenschutzverein, einen Rechtsanwalt oder Notar zu prüfen.

 

In allen Fällen einer Erwachsenenvertretung bleiben bestimmte Angelegenheiten der Genehmigung durch das für die schutzberechtigte Person zuständige Pflegschaftsgericht vorbehalten.

 

Gerichtlichte Erwachsenenvertretung

Kann eine volljährige Person aufgrund einer psychischen Erkrankung oder vergleichbaren Beeinträchtigung ihrer Entscheidungsfähigkeit nicht mehr alle Angelegenheiten ohne die Gefahr eines Nachteiles für sich selbst besorgen, keinen Vertreter mehr wählen oder sind keine geeigneten gewählten bzw. gesetzlichen Vertreter vorhanden, so kommt eine gerichtliche Erwachsenenvertretung in Betracht. Diese Form der Erwachsenenvertretung kann für einzelne oder auch mehrere Bereiche von gegenwärtig zu besorgenden Angelegenheiten etabliert werden. Die Wirkungsbereiche sind im gerichtlichen Bestellungsbeschluss genau anzuführen und inhaltlich zu definieren.

 

Als mögliche Vertretungspersonen, die das Gericht zum Erwachsenenvertreter bestellen kann, sieht das Gesetz selbst gewählte Personen laut Erwachsenenvertreter-Verfügung, nahestehende geeignete Personen sowie Erwachsenenschutzvereine, Rechtsanwälte oder Notare vor.

 

Für die Errichtung und Kontrolle der gerichtlichen Erwachsenenvertretung ist das Bezirksgericht am Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthaltsort des Schutzberechtigten zuständig. Der Erwachsenenvertreter wird vom Gericht mit schriftlicher Entscheidung (Beschluss) bestellt. Die Notwendigkeit und Voraussetzungen seiner Bestellung werden in einem gerichtlichen Verfahren geklärt. Die Bestellung zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter ist im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV) einzutragen.

 

Die gerichtliche Erwachsenenvertretung endet automatisch nach 3 Jahren, mit dem Tod der schutzberechtigten vertretenen Person oder der Vertretungsperson sowie durch gerichtliche Entscheidung (Beendigungsbeschluss). Die gerichtliche Erwachsenenvertretung kann auch erneuert werden. Die Vertretungsperson und die vertretene Person werden 6 Monate vor Ablauf der Frist über die Möglichkeit eines Erneuerungsverfahrens durch das Pflegschaftsgericht informiert.

 

Registrierung-Berichtspflicht

Sowohl die Wirksamkeit errichteter Vorsorgevollmachten als auch sämtliche Formen einer Erwachsenenvertretung verlangen zwingend eine Registrierung im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis (ÖZVV), um gültig zu sein und in Kraft zu treten.

 

Neu bestellte Erwachsenenvertreter haben in weiterer Folge gegenüber dem zuständigen Pflegschaftsgericht einen Antrittsbericht über die persönlichen und vermögensrechtlichen Verhältnisse der schutzberechtigten Person abzugeben. Darüber hinaus besteht grundsätzlich eine alljährliche Berichtspflicht über die gesundheitlichen, persönlichen und vermögensmäßigen Entwicklungen beim Schutzberechtigten (sog. „Lebenssituationsbericht“) dem Gericht gegenüber. Dem Gericht steht es frei, von dieser Verpflichtung zur periodischen Berichterstattung im Einzelfall abzusehen oder in gewissen Fällen vom Erwachsenenvertreter auch zusätzliche Berichte einzufordern.

 

In allen Fällen einer Erwachsenenvertretung bleiben bestimmte Angelegenheiten der Genehmigung durch das für die schutzberechtigte Person zuständige Pflegschaftsgericht vorbehalten.

 

Vereinbaren Sie rechtzeitig einen Beratungstermin mit unserer Kanzlei, damit wir mit Ihnen eingehend über das sensible Thema Vorsorgevollmacht und Erwachsenenschutz sprechen und für Sie eine maßgeschneiderte Vertretungsvorsorge erarbeiten können!

 

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